Der Pilz Botrytis cinerea gilt als Wund- und Schwächeparasit und kann praktisch alle Pflanzen befallen. Im Weinbau kann der Pilz zwar bei Weißweinsorten erheblich zur Qualitätssteigerung beitragen, andererseits aber empfindliche Ertragsverluste verursachen und die Qualität der Moste ebenso stark mindern.
Schadbild
In der Reben-Veredelung kann es während der Vortreibphase zu enormen Ausfällen durch Befall an den austreibenden jungen Trieben kommen. Bei Pfropfreben verhindert das Einwachsen des Pilzes in die Veredlungsstelle die Kallus-Bildung.
Grundsätzlich können alle Teile der Rebe befallen werden. Im Winter kann das Myzel vom einjährigen Holz aus in die Knospen einwachsen, die nicht mehr austreiben und absterben. Blätter und Triebspitzen werden braun und bei anhaltender Feuchtigkeit werden die Befallsstellen mit einem grauen Pilzrasen überzogen. Befallene Gescheine sterben ab, werden braun und vertrocknen (Gescheinsbotrytis).
Hohe Ertragsverluste sind auch zu erwarten, wenn der Pilz das Stielgerüst befällt. Der Reifeprozess der Trauben wird unterbrochen, die Stiele faulen und ganze Trauben fallen zu Boden. Die Befallsstellen am Traubengerüst sind im Gegensatz zur Stiellähme (häufig sekundär Botrytisbefall) bei der Stielfäule feucht. Die Stielfäule tritt besonders bei Riesling auf.
Bei allen Sorten entsteht wirtschaftlicher Schaden durch Botrytis cinerea vor allem an den Trauben. Auf den Blütenresten nicht sauber "geputzter" Trauben kann der Pilz sich soweit entwickeln, dass er mit Hilfe der gebildeten Enzyme auch das Gewebe der grünen Beeren angreifen kann.
Häufig geht der Botrytisbefall von Verletzungen einzelner Beeren durch Hagel, Sauerwurm oder Wespen aus. Die sogen. Sauerfäule tritt an unreifen Beeren mit Mostgewichten unter 50° Öchsle auf.
Viele Sorten mit dünner Beerenhaut können bei beginnender Reife ab etwa 50° Öchsle durch Botrytisbefall (Rohfäule) innerhalb von wenigen Tagen zusammenfaulen. Aus rohfaulen Trauben können nur minderwertige Moste gewonnen werden, mit geringem Zuckergehalt und hohem Säureanteil.
In reifen Trauben ab 65° Öchsle kommt es dagegen bei trockenem Wetter und taureichen Nächten durch Botrytisbefall zu einer wertvollen Anreicherung des Beerensaftes. Aus edelfaulen Trauben werden bei Weißweinsorten viele Spitzenweine gewonnen.
In Rotweinsorten wird der rote Farbstoff durch die enzymatische Aktivität des Pilzes abgebaut. Kennzeichnend für Rotweine aus Botrytis-befallenem Lesegut sind eine geringe Farbintensität und Farbabweichungen.
Pilzentwicklung
Der Pilz überwintert als Myzel im Rebholz (vorwiegend in den Traubenstiel-Fragmenten), sowie in abgefallenem Laub und Schnittholz. Auf abgestorbenen Rebteilen und schlecht ausgereiftem Holz bildet er widerstandsfähige Dauerformen aus, sogenannte Sklerotien. Die Temperaturansprüche von Botrytis cinerea sind gering, für das Myzelwachstum reichen Temperaturen um den Gefrierpunkt und eine hohe Luftfeuchtigkeit aus. Bei feuchtwarmer Witterung und Temperaturen über 20° C verbreitet sich die Krankheit sehr rasch, wobei der Pilz massenhaft Sporen ausbildet, die mit dem Wind verbreitet werden. Die Konidien überdauern auf dem Wirtsgewebe über einen längeren Zeitraum und infizieren erst, wenn sie 2 Stunden lang mit tropfbarem Wasser durch Tau oder Regen in Kontakt kommen.
Der wichtigste Ansatzpunkt für indirekte Maßnahmen gegen Botrytis cinerea ist der für die Entwicklung hohe Feuchtigkeitsanspruch des Pilzes. Wirksam sind alle Maßnahmen, die das Kleinklima für den Pilz verschlechtern und das rasche Abtrocknen der Laubwand begünstigen. Die Entblätterung der Traubenzone und das Freistellen beschatteter Trauben fördern die Durchlüftung und beschleunigen das Abtrocknen, während durch die intensivere Belichtung der Trauben auch die Beerenhaut stärker ausgebildet wird. Eine gründliche Benetzung der Trauben mit Spritzbrühe ist dabei wesentlich leichter möglich, was bei der Botrytis-Bekämpfung von vorrangiger Bedeutung ist.